Stellen Sie sich vor, ein Reich, das sich vom saudischen Medina nach Portugal und Spanien im Westen sowie bis Tadschikistan und Pakistan im Osten erstreckt, beherrscht von einer einzigen, aber enorm facettenreichen Autorität – dem Kalifen. Diese historische Größe, Teil der faszinierenden islamischen Geschichte, spiegelt die enorme Reichweite und den Einfluss wider, den das Kalifat einst innehatte. Als Mitglied des Redaktionsteams der Revolutionszeitung.de entführe ich Sie in die Welt des Kalifats – einer Regierungsform, in der sich theokratische Macht mit geistlicher Führung vereint.
Der Titel des Kalifen, aus dem Arabischen für „Nachfolge“, etablierte sich seitens der Umayyaden um 661. Der Kalif wurde als „Stellvertreter des Gesandten Gottes“ betrachtet, was beides, eine weltliche und eine geistliche Herrschaft Doch im Widerspruch zu dieser machtvollen Position verkündet die islamische Lehre, repräsentiert etwa durch Sure 112 (al-Ichlās), dass kein Mensch Gott gleich sein könne – eine Divergenz, die das Kalifat von seinen Anfängen an prägte und die historische wie theologische Debatte bis heute befeuert.
Begleiten Sie mich auf eine Reise durch die Epochen, in denen wir gemeinsam die Geschichte, Bedeutung und die wandelbare Natur des Kalifats beleuchten – von seinem Ursprung im Herzen des Islam bis hin zu seiner Rolle in der zeitgenössischen Weltordnung.
Einleitung: Die historische Entwicklung des Kalifats
Die Entwicklung des Kalifats, jenes zentralen islamischen Instituts, beginnt unmittelbar nach dem Tod des Propheten Mohammed. Die Saqīfa-Versammlung wurde schnell zu einem entscheidenden Moment der Nachfolgeregelung, wo Abu Bakr als erster der vier rechtgeleiteten Kalifen bestimmt wurde. Diese Wahl war der Grundstein für das, was später als Theokratie unter der Scharia bekannt werden sollte, wo der Kalif als „Wächter des Glaubens“ regierte.
Ursprung des Kalifats im Islam
Im islamischen Kontext ist das Kalifat tief in der Geschichte verwurzelt, beginnend in Medina unter Mohammeds Führung. Nach Mohammeds Ableben entstanden Spannungen, die in der Saqīfa-Versammlung gipfelten. Diese Versammlung illustrierte die frühen Herausforderungen der Islamischen Expansion und die Notwendigkeit einer geregelten Nachfolgeregelung.
Die Ausbreitung des Kalifenreichs
Beträchtlich beeinflusst durch die Leistungen der rechtgeleiteten Kalifen und später durch die Umayyaden und Abbasiden dehnte sich das Kalifenreich über beträchtliche Teile des Sassanidenreichs und darüber hinaus aus. Die Siege in diesen Regionen repräsentierten nicht nur territorialen Gewinn, sondern auch die Verbreitung der Theokratie und Scharia.
Die Bedeutung des Kalifen als geistliche und weltliche Autorität
Der Kalif, als Führer sowohl in spirituellen als auch weltlichen Angelegenheiten, wurde zum Symbol göttlicher Rechtsprechung auf Erden. Seine Rolle überstieg die eines bloßen Herrschers, denn er war ein Wächter des Glaubens, dessen Aufgabe es war, das Reich zu verteidigen, zu regieren und die Einhaltung der Scharia zu überwachen.
Was ist ein Kalifat?
Ein Kalifat repräsentiert eine spezifische Islamische Herrschaftsform, in der ein Kalif als Stellvertreter (Stellvertreter Gottes) fungiert. Diese Regierungsform ist nicht nur politisch, sondern auch religiös ausgerichtet, da der Kalif die geistliche Führung innehält und somit das gesamte soziale und rechtliche Leben der Gemeinschaft auf Basis der Scharia regelt. Die Rolle des Kalifen als Stellvertreter umfasst daher sowohl weltliche als auch spirituelle Aufgaben.
In Deutschland hat die Diskussion um das Kalifat unterschiedliche Perspektiven hervorgebracht, darunter auch extremistische Interpretationen und Forderungen nach dessen Einführung. Dies zeigt sich in verschiedenen Demonstrationen und der kontinuierlichen Überwachung durch den Verfassungsschutz.
Trotz seiner historischen Wurzeln und der Rolle in der frühen islamischen Geschichte wird das Konzept des Kalifats heute von vielen modernen Staaten nicht offiziell angewendet. Es bleibt jedoch ein Symbol für einige islamische Gemeinschaften, die darauf abzielen, ihre Gesellschaft nach dem Modell eines Kalifats zu gestalten. Hierbei handelt es sich um eine Form der Theokratie, also einer Regierungsform, bei der sich die staatliche Machtform mit dem göttlichen Willen begründet.
Die folgende Tabelle bietet einen Überblick wie das Kalifat in verschiedenen Kontexten verstanden und gefordert wird:
Kontext | Verständnis/Forderung | Beispiel |
---|---|---|
Historisch | Stellvertreter des Propheten Muhammad | Die vier „rechtgeleiteten“ Kalifen |
Moderne extremistische Interpretationen | Ablehnung demokratischer Prinzipien | Hizb ut-Tahrir, Islamischer Staat |
Demonstrationen in Deutschland | Forderungen nach einem Kalifat | Demonstration „Kalifat ist die Lösung“ in Hamburg |
Überwachung durch Behörden | Bewegungen mit potenziell extremistischen Tendenzen | Organisation „Muslim Interaktiv“ in Hamburg |
Somit bleibt die Debatte um das Kalifat eine komplexe und vielschichtige Angelegenheit, die sowohl religiöse als auch politische Dimensionen umfasst.
Die Rolle des Kalifen in einer islamischen Gesellschaft
In der islamischen Welt verkörpert der Kalif nicht nur eine religiöse Autorität, sondern nimmt auch eine zentrale Figur in der politischen und gesellschaftlichen Sphäre ein. Als Glaubenswächter ist es seine Aufgabe, über die Einhaltung religiöser Normen zu wachen und die Scharia-Durchsetzung zu fördern, was ihm eine besondere Stellung verleiht.
Die geistlichen Pflichten eines Kalifen
Die geistlichen Pflichten eines Kalifen erstrecken sich von der Aufsicht über die Scharia bis zur geistigen Führung der Ummah, der muslimischen Weltgemeinschaft. Als religiöser Führer muss der Kalif sicherstellen, dass die islamischen Gesetze akkurat angewendet und respektiert werden. Diese Rolle ist entscheidend für die Verteidigung und Erhaltung des Glaubens innerhalb der Gesellschaft.
Die weltlichen Aufgaben eines Kalifen
Zu den weltlichen Aufgaben des Kalifen zählen primär die Herrschaftsausübung über sein Territorium und die Aufrechterhaltung der Ordnung. Eine besondere Bedeutung kommt dabei der Territorialpolitik zu, die von diplomatischen Verhandlungen bis hin zu militärischen Aktionen reicht, um das kalifatliche Herrschaftsgebiet zu verteidigen und zu erweitern. Der Kalif vertritt die Einheit und Souveränität des islamischen Staates und steht somit als Oberbefehlshaber auch verantwortlich für die Abwehr von Bedrohungen sowie die Sicherheit seiner Bürger.
Die vier „rechtgeleiteten“ Kalifen und ihre Bedeutung
Die Islamische Frühgeschichte wurde maßgeblich durch die Nachfolge Muhammads und die fortschreitende Expansion des Kalifenreichs geprägt. Diese dynamische Phase fand ihren Ausdruck in den Regierungszeiten der ersten vier Kalifen – Abu Bakr, Umar ibn Chattab, Uthman ibn Affan und Ali ibn Abi Talib. Ihre Herrschaft wird oft als die der „Rechtgeleiteten Kalifen“ bezeichnet, wobei ihre Amtszeit zwischen 632 und 661 n.Chr. die Grundsteine für das ausgedehnte islamische Reich legte.
Die „Rechtgeleiteten Kalifen“ übernahmen die Führung in einer entscheidenden Zeit der Expansion des Kalifenreichs. Unter ihrer Leitung erfuhr das Kalifat eine erhebliche territoriale Ausdehnung, die mit bedeutenden administrativen und politischen Veränderungen einherging. Ihre Fähigkeit, islamisches Recht (Scharia) und die Normen des Korans in Governance zu integrieren, festigte ihre Legitimität und prägte die Entwicklung der islamischen Gemeinschaft.
Kalif | Amtszeit | Zentrale Beiträge zur Expansion des Kalifenreichs |
---|---|---|
Abu Bakr | 632-634 n.Chr. | Konsolidierung der Stämme Arabiens und erste Expansionen außerhalb der arabischen Halbinsel |
Umar ibn Chattab | 634-644 n.Chr. | Ausdehnung des Reiches auf das Persische Reich und Teile des Byzantinischen Reichs |
Uthman ibn Affan | 644-656 n.Chr. | Standardisierung des Korantextes, weiterhin territoriale Ausdehnung des Reiches |
Ali ibn Abi Talib | 656-661 n.Chr. | Bekämpfung interner Unruhen und Verteidigung des Kalifenreichs gegen Abspaltungen |
Die Nachfolge Muhammads durch diese figuren der Islamischen Frühgeschichte bedeutete nicht nur eine religiöse, sondern auch eine politische Weichenstellung. Jeder dieser Kalifen trug zur Festigung und zum Wachstum des Kalifenreichs bei, indem sie die Prinzipien des Islams in den von ihnen eroberten Gebieten einführten. Ihr Erbe und ihre Taten sind bis heute wesentlicher Bestandteil der islamischen Lehre und haben einen unauslöschlichen Einfluss auf die Geschichte und die geistige Landschaft des Islams.
Kalifate im Wandel der Geschichte: Von den Umayyaden bis zu den Abbasiden
Die geschichtliche Entwicklung der Kalifate spiegelt tiefgreifende Veränderungen in der politischen und kulturellen Landschaft der islamischen Welt wider. Beginnend mit den Umayyaden bis hin zu den Abbasiden, erlebten diese Dynastien sowohl Blütezeiten als auch Herausforderungen, die die Grenzen des islamischen Großreichs neu definierten.
Die Umayyaden-Dynastie
Die Umayyaden, als Gründer des ersten großen islamischen Kalifats nach den rechtgeleiteten Kalifen, prägten die Frühzeit der dynastischen Herrschaft im Islam maßgeblich. Unter ihrer Führung wurde das Fundament für ein ausgedehntes Reich gelegt, das in seiner größten Ausdehnung von Spanien bis nach Indien reichte. Die Umayyaden implementierten zudem das Prinzip der Erbfolge und etablierten Damaskus als politisches und kulturelles Zentrum, bevor sie letztlich durch die Abbasiden gestürzt wurden.
Das Abbasiden-Kalifat und seine Blütezeit
Die Machtübernahme durch die Abbasiden markierte einen entscheidenden Wendepunkt in der Geschichte der islamischen Kalifate. Die Hauptstadt wurde von Damaskus nach Bagdad verlegt, welches sich rasch zu einem weltweit anerkannten kulturellen Zentrum entwickelte. Unter der Herrschaft von Kalifen wie Harun ar-Raschid erreichte das Abbasiden-Kalifat eine kulturelle und wissenschaftliche Blütezeit, die das islamische Großreich in der Welt prominent vertrat. Trotz der kulturellen Erfolge verloren die Abbasiden-Kalifen nach und nach an politischer Macht, was schließlich zu einem Bedeutungsverlust der zentralen Autorität führte.
Die historische Betrachtung dieser beiden prägenden Dynastien zeigt, wie das Kalifat als Institution diverse Transformationen durchlief, die sowohl durch interne Dynamiken als auch durch externe Herausforderungen bedingt waren. Diese Entwicklungen hatten langfristige Auswirkungen auf die politische Struktur und die kulturelle Identität der islamischen Welt.
Das osmanische Kalifat und seine Bedeutung für die Moderne
Das Osmanische Reich, als Nachfolger der Abbasiden im Kalifat, prägte das kulturelle Erbe und die modernen Einflüsse der islamischen Welt auf einzigartige Weise. Trotz des letztendlichen Verlusts politischer Macht behielt der Kalifentitel eine symbolische Bedeutung, die bis in die heutige Zeit nachhallt.
Die Veränderungen im Osmanischen Reich während seines Bestehens und der anschließende Zerfall zeigten, wie tiefgehend die Wirkungen des Kalifats auch in der Moderne zu spüren sind. Dieses Erbe beeinflusst noch heute die politische Neuordnung vieler Länder, die ehemals unter osmanischer Herrschaft standen.
Das kulturelle Erbe, das durch das Osmanische Reich geprägt wurde, ist in vielen modernen Staaten erkennbar. Architektur, Kunst und Bildung, die während der osmanischen Ära entwickelt wurden, sind nach wie vor prägende Elemente in diesen Regionen.
Jahr | Entwicklungen im Kalifat | Auswirkung auf die Moderne |
---|---|---|
1453 | Konstantinopel wird erobert, das Byzantinische Reich endet | Der Beginn der Ausbreitung ottomanischer kultureller und politischer Einflüsse in Europa |
16. Jahrhundert | Hochzeit der osmanischen Macht | Einfluss auf die politischen Strukturen und das kulturelle Erbe Südosteuropas und des Nahen Ostens |
1924 | Abschaffung des Kalifats | Politische Neuordnungen im Nahen Osten und die Entstehung neuer nationalstaatlicher Strukturen |
Die modernen Einflüsse des Kalifats sind also sowohl in kulturellen als auch in politischen Aspekten moderner Staaten erkennbar. Die Identität und das Selbstverständnis vieler Nationen im Nahen Osten und in Südosteuropa sind tief mit dem osmanischen Erbe verwoben.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das osmanische Kalifat eine Brücke zwischen traditionellen islamischen Prinzipien und der politischen Landschaft der modernen Welt geschlagen hat. Es diente als Katalysator für zahlreiche signifikante historische Entwicklungen und setzt seine prägende Wirkung bis heute fort.
Die Abschaffung des Kalifats im 20. Jahrhundert
Die frühen 1920er Jahre markierten eine zentrale Wende in der Geschichte des Islam mit dem Ende des Osmanischen Reiches und der Gründung der Türkischen Republik durch Mustafa Kemal Atatürk. Diese tiefgreifenden Veränderungen waren ein bedeutsamer Schritt in der Modernisierung der Türkei und hatten weitreichende Auswirkungen auf die Islamische Identität und die Politische Machtverhältnisse in der Region.
Die Gründe für das Ende des osmanischen Kalifats
Das osmanische Kalifat, welches einst eine mächtige Institution innerhalb der islamischen Welt war, erlebte einen signifikanten Bedeutungsverlust durch eine Reihe von militärischen Niederlagen und politischen Veränderungen. Der Verlust der arabischen Territorien gemäß dem Vertrag von Sèvres und die wachsende Unzufriedenheit innerhalb der Bevölkerung führten zu einem rapide nachlassenden Einfluss des Kalifen.
Jahr | Ereignis | Auswirkung auf das Kalifat |
---|---|---|
1911-1913 | Angriffe auf die Türkei | Verlust der Kontrolle und Macht des Kalifats |
1920 | Vertrag von Sèvres | Abtretung der arabischen Territorien |
1924 | Abschaffung des Kalifats durch Atatürk | Endgültiges Ende des osmanischen Kalifats |
Die Folgen des Verlusts der Kalifatsstruktur
Die Abschaffung des Kalifats ließ einen tiefen Bruch in der Identität vieler Muslime zurück, da der Kalif nicht nur ein politischer, sondern auch ein religiöser Führer war. Die plötzliche Entfernung einer zentralen Autoritätsfigur erzeugte Unsicherheiten und führte zu einer Neuausrichtung der politischen und religiösen Landschaft in vielen islamisch geprägten Ländern.
Der Wandel von einer theokratischen zu einer weitgehend säkularen Führungsstruktur innerhalb der Türkischen Republik setzte eine Dynamik der Modernisierung und Transformation des türkischen Staates fort, die bis heute nachwirkt.
Das Kalifat im zeitgenössischen Verständnis
Die Renaissance des Kalifats im 21. Jahrhundert ist ein komplexes Phänomen, das verschiedene Perspektiven und Herausforderungen mit sich bringt. Vor allem die extremistischen Auslegungen durch Gruppen wie die IS-Terrormiliz haben weltweit für Aufsehen gesorgt. Diese Bewegungen nutzen die historische und kulturelle Symbolik des Kalifats, um politischen Islamismus zu fördern und ihre Machtansprüche zu stärken.
Das Wiederaufleben des Kalifats in der Moderne
Die moderne Kalifatsbewegungen, angeführt von Organisationen wie der IS-Terrormiliz, streben danach, ein grenzüberschreitendes islamisches Reich zu etablieren. Diese Gruppierungen berufen sich auf eine glorifizierte Vergangenheit der islamischen Geschichte, um aktuelle politische Ziele zu legitimieren. Solch ein historisches Echo findet Resonanz bei denen, die sich durch die aktuelle globale Politik marginalisiert fühlen. Doch dieses Verständnis des Kalifats weicht deutlich von traditionellen islamischen Lehren ab und wird oft für politische und militärische Zwecke missbraucht.
Extremistische Interpretationen des Kalifats
Organisationen wie die IS-Terrormiliz haben das Konzept des Kalifats radikal umgedeutet. Durch die Ausrufung des Kalifats im Juni 2014 und die damit einhergehende gewalttätige Expansion versuchten sie, eine Autorität zu etablieren, die in der islamischen Welt weitgehend als illegitim angesehen wird. Auch Figuren wie der „Kalif von Köln“ spiegeln den Einfluss von extremistischen Ideologien in westlichen Ländern wider, der deutlich macht, wie der politische Islamismus lokale und internationale Sicherheitsdynamiken beeinflusst.
Event | Datum | Bedeutung |
---|---|---|
Ausrufung des Kalifats durch ISIS | 29. Juni 2014 | Etablierung eines territorialen Anspruchs und Versuch der Legitimitätssteigerung |
Vorstoß von ISIS in den Irak | 9. Juni 2014 | Strategische Expansion und Kontrolle über bedeutende Gebiete im Nahen Osten |
Dieser Missbrauch des Kalifat-Konzepts durch extremistische Gruppen steht im Gegensatz zu den ursprünglichen spirituellen und vereinigenden Aspekten, die das Kalifat in der islamischen Geschichte symbolisierte. Es wirft wichtige Fragen über die Rolle von Religion in politischen Konflikten und den Kampf zwischen extremistischen und moderaten Auslegungen innerhalb des Islams auf.
Kritische Auseinandersetzung mit dem Konzept des Kalifats
Die unterschiedlichen Ansichten über das Konzept des Kalifats spiegeln nicht nur historische Ereignisse wider, sondern sind auch heute relevant für die Debatte über die ideologischen Interpretationen und die Machtausübung im Namen dieser institutionellen Form. Besonders deutlich wird dies im Kontext des Islamischer Staat, der versucht hat, ein modernes Kalifat aufzubauen, das auf extremen Auslegungen des Islams basiert.
Zur Verdeutlichung der Vielschichtigkeit dieses Themas lässt sich eine Analyse der historischen und aktuellen Interpretationen heranziehen, die in der folgenden Tabelle dargestellt wird:
Aspekt | Historische Betrachtung | Aktuelle Interpretation |
---|---|---|
Konzept des Kalifats | Ein Modell, das sich über Jahrhunderte entwickelt und unterschiedliche politische, soziale Strukturen angenommen hat. | Oft mit extremistischen Bewegungen wie dem Islamischer Staat in Verbindung gebracht, die ein ideologisiertes Kalifat anstreben. |
Machtausübung | Ein dynamisches Modell, das Gerechtigkeit und Beratung betonte und sich mit der lokalen Kultur und gesellschaftlichen Bedürfnissen integrierte. | Wird häufig als repressiv und rückwärtsgewandt kritisiert, insbesondere im Kontext der von Islamischer Staat ausgeübten Herrschaft. |
Rolle des Kalifen | Beschrieben als Hüter der Rechte und Interessen der Ummah, mit einem Fokus auf Rechenschaft und Gleichheit. | Häufig wahrgenommen als Symbolfigur für ideologische Interpretationen, die politische und religiöse Macht missbrauchen. |
Mithilfe dieser Tabelle wird ersichtlich, dass die Auseinandersetzung mit dem Konzept des Kalifats nicht nur eine Bewertung historischer Daten, sondern auch ein Verständnis für die gegenwärtigen ideologischen Kämpfe erfordert. Dies unterstreicht die Notwendigkeit, ein tiefgreifendes Verständnis von ideologische Interpretationen und deren Implikationen sowohl in politischen als auch in sozialen Kontexten zu entwickeln.
Betrachtet man die aktuelle Lage und die historischen Fakten, wird klar, dass die Vorstellung eines einheitlichen Kalifatsmodells kaum der Realität entspricht. Vielmehr sind es die differenzierten, oft gegenläufigen Interpretationen und Ausführungen, die in der muslimischen Welt und darüber hinaus zu intensiven Diskussionen führen.
Die Bedeutung dieser Debatte ist vor dem Hintergrund der heutigen globalen Sicherheitslage und der politischen Stabilität in muslimischen Ländern besonders relevant. Sie fordert von Politikern, Gelehrten und Bürgern gleichermaßen, sich aktiv und kritisch mit dem Erbe und den heutigen Manifestationen des Kalifats auseinanderzusetzen.
Die Relevanz des Kalifats in der heutigen muslimischen Welt
In der Diskussion um die Relevanz des Kalifats in der heutigen Zeit steht insbesondere die Islamische Einheit im Vordergrund. Das Kalifat, einst ein mächtiges Symbol der Einheit und Führung in der islamischen Welt, spiegelt heute eine komplizierte und facettenreiche Realität wider. Es bleibt ein tiefgreifendes Element der Symbolischen Bedeutung in modernen islamischen Gesellschaften, obschon keine offizielle theokratische Struktur mehr existiert.
Das Kalifat als Symbol der Einheit im Islam
Die Vorstellung eines Kalifats als vereinigende Kraft und als Wächter der islamischen Lehre und Rechtsprechung lebt in vielen Herzen weiter. Die symbolische Bedeutung des Kalifats betont die tief verwurzelte Sehnsucht nach einer geordneten, von gemeinsamen religiösen Prinzipien geleiteten Gesellschaft. Dieser Aspekt findet oft Resonanz in öffentlichen Diskursen und manifestiert sich auch in kulturellen und politischen Bewegungen in unterschiedlichen Regionen der Welt.
Die politische Realität muslimischer Staaten heute
Während einige muslimische Länder theokratische Elemente in ihrer Staatsführung bewahren, haben moderne islamische Gesellschaften vielfach einen pragmatischen Ansatz zur Integration von Scharia und westlich geprägtem Rechtssystem entwickelt. Diese Länder nutzen die Islamische Einheit nicht nur im religiösen, sondern auch im politischen Kontext, um Zusammenhalt und nationalen Stolz zu stärken, jedoch ohne die Errichtung eines klassischen Kalifats.
Land | Einstellung zum Kalifat | Anteil der Muslime in der Bevölkerung (%) |
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Deutschland | Kein offizielles Streben nach Kalifat | 6-7 |
Saudi-Arabien | Moderne islamische Führung ohne Kalifat | ~95 |
Ägypten | Scharia als Rechtsgrundlage, kein Kalifat | ~90 |
Irak | Kein anerkanntes Kalifat trotz historischer Versuche | ~95 |
So bleibt das Kalifat ein fesselndes Thema für viele Muslime weltweit. Es wirft die Frage nach der Bedeutung und dem Potential eines vereinigenden, islamischen Führungssymbols in einer zunehmend globalisierten und pluralistischen Weltgesellschaft auf. Theokratische Regierungssysteme finden sich zwar in einigen Ländern, sind aber weit entfernt von einer umfassenden Kalifatsform im historischen Sinne.
Fazit
Über 1.400 Jahre prägten die verschiedenen Kalifate die Geschichte des Islams und hinterließen ein historisches Erbe, das bis heute in der islamischen Identität verankert ist. Während die politische Dimension des Kalifats nach seiner Abschaffung durch Mustafa Kemal Atatürk im Jahre 1924 zunehmend an Bedeutung verlor, bleibt das Kalifat für einige ein politisches Symbol, das insbesondere durch rhetorische Aufrufe im Westen verstärkt wird. Die Ereignisse um den sogenannten ‚Islamischen Staat‘ und dessen kurze, aggressive Expansion haben die globale Aufmerksamkeit auf die Mechanismen gelenkt, mit denen geschichtliche Konzepte und Traditionen auf zeitgenössische Ansprüche übertragbar gemacht werden können.
Trotz der Verklärung der Vergangenheit und der Sehnsucht nach einem islamischen Staat wie zu Zeiten Mohammeds, ist die Auffassung über das Kalifat heute in den meisten muslimischen Gesellschaften differenziert. Viele Muslime suchen nach einem Platz für ihre Religion in einer modernen, pluralistischen Welt, anstatt einen Theokratie oder ein Kalifat als staatliche Ordnung neu zu gründen. Die Eroberungs- und Expansionsphasen der Umayyaden und Abbasiden, die Blüte kultureller und wissenschaftlicher Errungenschaften, wie auch die tragischen Momente des Falls durch die Mongolen oder der Verlust territorialer Gebiete im 21. Jahrhundert prägen das Bild des Kalifats als vielschichtig und ambivalent.
Obgleich es Gruppierungen gibt, die das Kalifat wieder erreichten möchten, stehen diese nicht für die Mehrheit der Muslime weltweit. Die Idee des Kalifats als einigendes Band und Stärkung der Umma wurde über Jahrhunderte hinweg kontrovers diskutiert, was bis heute anhält, wie aus Publikationen mit umfassenden Untersuchungen wie der von Historiker Hugh Kennedy hervorgeht. Die Geschichte und Zukunft des Kalifats werfen fundamentale Fragen auf, die nicht nur die Nachfolge des Propheten betreffen, sondern auch, welche Rolle die Religion in der heutigen Politik spielen sollte.